Der Grundgedanke könnte nicht aktueller sein: „Wir können nicht warten, bis die Kunden zur Kunst nach Südafrika kommen, also bringen wir die Kunst aus Südafrika eben zu den Kunden.“ Aus dieser Überlegung heraus entstand vor drei Jahren die eindrucksvolle Künstlerinitiative The Travelling Art Gallery, die zeitgenössische südafrikanische Kunst Jahr für Jahr in mehrwöchigen Pop-up-Ausstellungen in deutsche Städte bringt. Und auch wenn das Sehnsuchtsziel Südafrika im Moment gefühlt deutlich weiter als rund elf Flugstunden entfernt liegt, ist es Barbara Lenhard, der Sprecherin der Initiative gelungen – allen Widrigkeiten zum Trotz – auch in diesem so besonderen Jahr, eine vierwöchige Ausstellung mit zeitgenössischen Künstlern aus Südafrika nach Berlin zu bringen. Der allzu passende Titel in diesem Jahr: „Against All Odds“. Los geht es am 6. Juni 2020. Was Sie erwartet, erfahren Sie hier.
Barbara Lenhard und Florian Gast
Liebe Barbara, wie kam es zu dieser wundervollen Initiative?
Angefangen hat es mit zwei äußerst talentierten Künstlern, die uns in Kapstadt im Gespräch gesagt haben, dass sie von den Verkäufen in Südafrika nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Durch unsere Verbindungen von und nach Deutschland, durch die Tatsache, dass wir vielen Menschen tolle Kunst in den letzten Jahren organisiert und verkauft haben, kam die Idee auf, die Kunst direkt zu den Kunstbegeisterten hier her zu bringen. Natürlich ist so eine große Vision mit großem Aufwand und damit auch einem großen Kostenaufwand verbunden und wir haben es geschafft, zweimal erfolgreich Crowdfunding-Aktionen abzuschließen, damit für das erste Jahr, nämlich 2018 die erste ‚Reise‘ mit Pop-Up-Ausstellungen in drei deutsche Städte startete. Selbst beim Erzählen bekomme ich hier jetzt noch Gänsehaut.
Corne Eksteen – Pluralist
Wie viele Künstler reisen im übertragenden Sinn mit Ihnen? Und für welche Kunst stehen Sie?
Ja, leider reisen die Künstler persönlich nicht mit uns. Das wäre mal vereinzelt toll und ist sicher etwas, was wir planen möchten, aber natürlich haben die Künstler in Südafrika ja auch Verpflichtungen und ihren Beruf, der da ist Künstler zu sein. Drei bis vier Monate einfach mal so weg zu sein, klingt natürlich erst einmal spannend, aber ist ein riesen Stück Arbeit und auch mit viel Kosten verbunden. The Travelling Art Gallery reist also „nur“ mit der Kunst und da sind derzeit 22 Künstler aus allen Teilen Südafrikas dabei, Künstler unterschiedlichster Coleur und Hintergründe, was es natürlich auch so wunderbar farbenfroh, spannend und vielfältig macht.
Mandlenkosi Mavengere – Cheerfulgiver
Wie finden Sie die Künstler?
Zum einen natürlich durch Recherche. Wir laufen mit offenen Augen durch die Kunstlandschaft in Südafrika. Zum anderen sprechen uns inzwischen Künstler selbst an. Nach den 2 ½ Jahren und den sichtbaren Erfolgen spricht sich das Projekt natürlich auch herum, so dass auch „unsere“ Künstler ihren Kollegen davon erzählen. Zudem ist Social Media ist eine Plattform, die uns neue Kontakte bringt – oder eben wie auch jetzt, tolle Medien, die gute Projekte mit Nachhaltigkeit und positiven Ergebnissen unterstützen. Danke an dieser Stelle auch für dieses Gespräch, das wir gerade führen.
Das klingt nach viel Arbeit, aber auch nach Leidenschaft und Herzblut. Was verbindet Sie mit den Künstlern?
Wichtig für uns ist, dass wir jeden Künstler, jede Künstlerin, persönlich kennen. Nicht nur die Kunst, auch der Mensch muss uns ‚gefallen‘. Klar hat man zu dem einen oder anderen eine tiefere Bindung, aber letztlich tragen wir eine große Verantwortung, die uns sehr stark mit den Künstlern verbindet. Ich persönlich lerne auch gerne über die Familien und die Hintergründe zur Person und dem Leben kennen. Ein spannender Aspekt in unserem Beruf, der Kunst ja auch zeitgenössisch erlebbar macht.
Claude Chandler – Pixelator
Das ist bereits das dritte Jahr, in dem Sie Kunst aus Südafrika nach Deutschland bringen. Gibt es eine Begegnung oder ein Erlebnis, das Sie in den beiden vorangegangenen Jahren besonders bewegt hat?
Ich würde sagen, es gibt so viele Momente, die mich bewegen, weil mich die Kunst und die Menschen bewegen, die wir hier zusammenbringen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, sind es in der Tat die Momente, in denen ich Menschen treffen darf … in einer der schönen Ausstellungen, die wir mit viel Liebe und Achtsamkeit aufbauen, bei denen ich fühle, dass sie die Kunst fühlen und sich so wohl fühlen, dass sie komplett die Zeit vergessen. Und wenn dann noch durch ein Kunstwerk eine Freundschaft entsteht, dann ist das sicher „the Ultimate“ und bedeutet mir sehr viel. Wir haben durch die letzten sechs Jahre, seitdem wir mit Künstlern arbeiten und Kunst vermitteln, so tolle Menschen und Förderer kennengelernt, ohne die würden wir gar nicht unsere Arbeit machen können.
Andrew Ntshabele – Unspeakable Joy 3
Bewegend war und ist auch dieses Jahr. In 2020 wollten Sie erstmals – neben Deutschland – auch Wien und Zürich mit der The Travelling Art Gallery besuchen. Aber dann kam Corona. Mit einem Mal waren alle Pläne dahin, doch an aufgeben war nicht einen Moment angedacht. Wie haben Sie noch aus dem Lockdown in Kapstadt heraus versucht weiterzumachen?
Wie heißt es so schön: Not macht erfinderisch! Natürlich haben wir bereits vor Corona auch im Online-Bereich unsere Fühler ausgestreckt und in dieser weltweiten Krise haben wir hier unsere Aktivitäten deutlich ausgeweitet. Virtuelle Ausstellungen, Online-Kataloge, noch mehr Social Media – all das trägt dazu bei, dass wir Anfragen bekommen und auch Werke verkaufen, was uns auch viel lehrt. Aber auch hier ist zu vermerken, dass persönliche Beziehungen das A und O sind und wir durch unsere Freunde, tollen Kunden und auch unsere Goodwill Ambassadors, eine Gruppe Menschen, die das Projekt und die Arbeit sehr unterstützen, gut aufgestellt sind. Einen guten Job zu machen und Menschen daran teilhaben zu lassen, hilft bekanntlich immer!
Michaela Rinaldi – Abstract 9
Dann sind Sie trotzdem wie geplant nach Deutschland gekommen. Aktuell sind Sie in Berlin – und stellen nun doch noch Werke „live“ aus. Wie kam es zu dazu?
Durch glückliche Umstände haben wir eine Frau kennengelernt, Martina Bertram-Paegelow, die im Begriff war eine Galerie mit Schwerpunkt Afrikanische Kunst in Kreuzberg zu eröffnen. Als sie unsere Geschichte hörte, bot sie spontan an, uns ihre Räume für vier Wochen in Berlin Kreuzberg pro bono zu Verfügung zu stellen. Eine Gelegenheit, die wir uns natürlich nicht entgehen lassen und für die wir sehr dankbar sind. So wird nun vom 6. Juni bis 4. Juli 2020 die Ausstellung ‚Against All Odds‘ in der Schwiebusser Straße 9 in Berlin zu sehen sein.
Barbara Lenhard und Martina Bertram-Paegelow
Was erwartet die Besucher der Ausstellung in diesem Jahr?
Die Ausstellung in der mARTina.gallery ist mit rund 120 qm natürlich deutlich kleiner als die geplanten 800 qm, so dass wir nicht alle Künstler und schon gar nicht alle Werke ausstellen können. Wir haben daher eine Auswahl von neun Künstlern getroffen, die wir aktuell vorstellen – aber je nach Resonanz des Berliner Publikums gibt es auch die Idee, mit den anderen Künstlern vielleicht eine Fortsetzung ins Leben zu rufen. Und wir haben natürlich jedes Werk katalogisiert, so dass wir es zeigen können und auch unser kostenloses virtuelles Hängen kommt super gut an und Kunden vertrauen uns beim Erwerb eines Bildes.
Corne Theron – Convergence
Was bewegt Sie am meisten an der Kunst aus Südafrika?
Wir haben uns ja auf einen bestimmten Teil der Kunst spezialisiert: zeitgenössische Kunst aufstrebender Künstler und Künstler in der Mitte ihrer Karriere. Zudem ist es uns wichtig, dass die Kunst ‚zugänglich‘ und positiv ist. Die Kunst, die wir vertreten soll den Besitzern jeden Tag Freude bereiten. Diese Kunstrichtung aus Südafrika ist für mich authentisch, farbenfroh, energiegeladen und emotional bewegend. Sie packt uns nicht in eine Schublade und erlaubt uns, zu zeigen, was uns gefällt und was wir spannend finden. Und der Erfolg gibt uns ja Recht. Menschen sind begeistert, finden Zugang zu der Kunst oder zu einem der Künstler und fühlen die Energie unserer Arbeit.
David Kuijers – Stars of Africa
Sie leben mit Ihrem Lebens- und Geschäftspartner, Florian Gast, seit mehr als einem Jahrzehnt in einer der schönsten Städte der Welt – in Kapstadt. Was fasziniert Sie besonders an dieser Metropole?
Neben den offensichtlichen Dingen wie Meer, Tafelberg und Sonnenschein sind es in erster Linie wieder einmal die Menschen – und das hat sich auch nach 11 Jahren nicht geändert. Es ist schwer zu beschreiben, aber die Menschen in Kapstadt sind positiv gestimmt und mit etwas Gemütlichkeit und positiver Grundeinstellung kann man das Leben gut meistern, egal wo in der Welt. Wir lieben die Tatsache, dass die Stadt und das Land auch als Reiseziel geliebt werden, und dass wir dadurch auch immer wieder irgendwie gleichgesinnte Menschen kennenlernen dürfen.
Sara Gaqa – Light
Welches ist Ihr persönlicher Sehnsuchtsort in der aktuellen Zeit, an den Sie sich gerade gerne hinträumen?
Irgendeine der atemberaubend schönen Lodges im afrikanischen Busch mit Blick auf die Weite Afrikas. Gerne noch mit dem einen oder anderen Elefanten im Blick – ich liebe diese großen majestätischen Dickhäuter. Und Sehnsucht habe ich! Der Busch ist ein Ort der Ruhe und birgt doch so viel Energie. Nichts bewegt mich mehr als eine Pirschfahrt am Morgen, wenn der Tag erwacht, die Sonne einen wärmt und der Wind die Nase kitzelt.
EdwardSelematsela – Firewood
Ausstellung „Against All Odds“, vom 6. Juni bis 4. Juli 2020, mARTina.gallery, Schwiebusser Straße 9, Berlin.
Weitere Informationen unter https://thetravellingartgallery.com/de/