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Südafrika-Liebhaberin und Weinhändlerin Annette Oberhaus geht allzu gerne auf Entdeckungsreise in einer ihrer liebsten Weinregionen – die am Kap der Guten Hoffnung. Dieses Mal ganz im Zeichen der weißen Rebsorte Chenin Blanc. An ihren Entdeckungen lässt sie uns alle teilhaben.

Es wird wohl letztlich immer ein großes Geheimnis bleiben, warum ausgerechnet Landstriche von großem Liebreiz gerne besonders eigenwillige, gegen den Strich gebürstete Typen hervorbringen. Das Tal der Loire etwa ist solch eine Landschaft. Sie ist berühmt für ihr „Douceur de vivre“, die Sanftheit des Lebens, und brachte doch solch rebellische Charaktere wie Rabelais, den störrischen Priester und Autor des obszön-schönen Romans „Gargantua und Pantagruel“ oder den unmäßigen Balzac mit seiner „Menschlichen Komödie“ und 3000 Romanfiguren hervor. Letzter gilt übrigens, als erster Romancier, Feinschmecker und Ästhet, der die Speisen- und Getränkefolgen seiner Figuren beschrieb und doch in ständigem Widerspruch zu seiner Umwelt lebte. Ein Erklärungsansatz? Vielleicht dieser: Je ausgeglichener die Umwelt, umso krasser tritt offenbar der Widerspruch zu ihr hervor; das trainiert den Widersprechenden und fordert ihn.

Weitgereist – doch angekommen?

In diese Kategorie fällt auch der Chenin Blanc, die Rebsorte, deren Ursprung an der Loire liegt. Ihre Weine können von staubtrocken bis zu Botrytis-süß reichen, haben immer ihren eigenen Charakter und „Kopf“, denn die Traube gibt sich nie gefällig, einschmeichelnd oder vordergründig fruchtig. Nimmt man ihr jedoch ihre Eigenart … ihre Ecken und Kanten … dann verschwindet der „Glanz aus ihren Augen“. So wird sie fad und angepasst. Das ist dann kein Chenin.

Schon gar keiner, den wir aus Südafrika kennen, wo die weitgereiste Rebsorte heute als autochthon – also als einheimisch gilt – und die hier lange Zeit „Steen“ genannt wurde. Hier wurde Chenin Blanc lange Zeit vor allem von den Hugenotten, die ihrerseits auch „Widersprechende“ sind, kultiviert. Allerdings vergaß man in den lieblichen Landstrichen um Franschhoek und Stellenbosch das Besondere dieser Traube – und erzeugte lange Zeit ausdruckslose Massenware.

 

Die Querdenker vom Kap

Glücklicherweise gibt es aber am Kap Charakterköpfe wie die Grier-Familie vom Weingut Villiera in Stellenbosch. Jeff, Simon und Cathy Grier haben sich vor allem der weißen Rebe von der Loire verschrieben. Ihr Chenin Blanc wird von Hand gelesen, wobei 40 % der Trauben aus Bush-Weinen, den nah am Boden und ohne Drahterziehung wachsenden Reben, stammen. Spontan vergoren, bleiben die ursprünglichen Fruchtnoten und Aromen, ohne geschmacksverändernde Reinzuchthefen erhalten. So entstehen frische Weißweine mit Ananas und feinen Zitrusnoten. Da die Weine mindestens zwei Monate „sur lie“, also auf der Hefe und zur Hälfte in viertbelegten Eichenfässern ausgebaut werden, bekommen sie bei aller Frische, immer noch einen vollen Körper.

Das alles geschieht auf einem Weingut, das neue und eigenwillige Wege im Umweltschutz und der Versorgung der nahen Bevölkerung immer gegangen ist. So werden zum Ausgleich der Wein-Monokultur in gleichem Umfang Bäume aufgeforstet. Da die Grier-Familie sich für die Menschen in ihrer Umgebung verantwortlich fühlt, richteten Jeff, Cathy und Simon auf dem Weingut eine medizinische Station ein, in der sich die Menschen für 85 Rand im Monat behandeln lassen können. Für ihr Engagement musste sie manche Hindernisse und Widerstände überwinden. Zum Glück taten sie dies auch mit ihrem Flagschiff-Chenin, dem Chenin Blanc Barrel Fermented 2019. Ein Hammer-Wein mit 8 Monaten Eichenfass (1/3 neue französische Eiche, der Rest Zweit- und Drittbelegung). Großes Gold für diesen Wein. Honig und weiße Akaziendüfte begleiten eine weiße Crême im Glas, dass es eine Freude ist. Dazu ein ganz feiner, eleganter Holzton, der dem Wein Körper gibt.

Da die Grier-Familie noch ein Weingut im Languedoc, Frankreich, besitzt, lag es nahe, sich auch in Südafrika mit einem süßen „Vin doux naturelle“ zu befassen. So kam der Chenin Blanc für acht Monate aufs Dach. Wir dürfen gespannt sein, was Tag und Nacht, Hitze und Kälte aus diesem Wein machen werden.

 

Auf zu neuen Ufern

Noch ein Widerspenstiger in der lieblichen Landschaft der südafrikanischen Vorzeige-Weinbauorte ist Paul Barth mit seinem  Restaurant und Weingut Kunjani. Er, der im Rheingau das Weingut der Familie übernehmen sollte, weigerte sich. Lieber wollte er als Handwerker arbeiten. Er baut einen erfolgreichen Betrieb auf, doch das Thema Wein lässt ihn nicht los – und so sucht und findet er im Devonvale von Stellenbosch Weinberge und ein Grundstück für sein Restaurant. Aber nein, er macht nichts altertümelnd Kapholländisches: Design soll es schon sein. Und so entsteht ein wirklicher Hingucker im Weinberg, dessen Interior der modernen Fassade in nichts nachsteht. Als Rheingauer mit Riesling getauft, will Paul Barth auch im Chenin Blanc eher weniger Alkohol-Prozente sehen, als sonst in Südafrika üblich. Sein Chenin Blanc ist mit 12 % Alkoholvolumen auch recht schlank gehalten, ohne vordergründig voluminöse Fruchtbomben, wie sie etwa die Aromensorte Sauvignon Blanc gerne liefert. „Mit dem kannste misch jage, da krieg isch es Zittern“, so der bekennende Chenin-Fan.

Verantwortlich für den Weinausbau ist Carmen Stevens, Südafrikas erste schwarze Weinmakerin. Auch hier hat Paul neue Wege beschritten. „Kunjani – Hallo, wie gehts Dir“ ist der Beginn einer Freundschaft, die hier auf Anhieb mit seinen Weißweinen und den Rotweinen geschlossen wird.

 

 

Ein absolutes Unikat

Ortswechsel zu Ken Forrester und seinen Chenin Blancs. Ein Wahnsinniger in Sachen Wein, ehrfurchtsvoll auch „Godfather of Chenin Blanc“ genannt. Er empfängt uns mit der kompletten Range seiner Weine, angefangen mit seinem „Sparklehorse Methode Cap Classic Brut“,  über einen „Petit“-Chenin für jeden Tag hin zu seinem „Old Vine“ in Vertikalprobe 2007 und 2018. Faszinierend der Farbwechsel bei den reiferen Jahren vom hellen grüngelb reflektierenden Weißwein hin zu goldgelben Reineclauden im Jahrgang 2007. Geerntet werden die Weine übrigens in bis zu zehn Lese-Durchgängen, auf der Grundlage von Luftbild-Wärmeaufnahmen.

Dann tischt Ken seinen FMC 2016 auf, einen Wein, der seinem Mentor Martin Meinert gewidmet ist: ForresterMeinertChenin, FMC. Von diesem feinen Stoff erhält seit seiner ersten Begegnung mit Ken ein englischer Wein-Journalist jedes Jahr eine Kiste; er hatte nach der Probe die Folge FMC kurzerhand – man verzeihe mir das Zitat – in „Fucking Marvellous Chenin“ gewidmet. Recht hat er. Als Ken dann noch seinen „Dirty Little Secret“ mit 14 % Alkohol vom Piekenierskloof, 250 Kilometer nördlich von Stellenbosch, öffnet, ist es um uns geschehen. Ab jetzt wollen wir nur noch Chenin Blanc trinken.

 

Allein, der Schwur nützte wenig, nachdem wir mit dem „Godfather“ eine zweite gemeinsame Leidenschaft entdecken – die zu den GSM-Weinen (Anm. d. Red. eine Abkürzung für außergewöhnlich gute Cuvées aus den typisch-südfranzösischen Rebsorten Grenache, Syrah und Mourvèdre.). Doch davon vielleicht ein andermal. So verlassen wir eine liebliche Landschaft in Südafrika in der festen Überzeugung, ganz eigenwillige Typen getroffen zu haben, die ihr Leben der feinen Rebsorte Chenin Blanc widmen – und uns damit der Sanftheit des Lebens ein Stück näher bringen.

 

Mehr Infos unter:
ricordo.de sowie unter villiera.com, kunjaniwines.co.za/de, kenforresterwines.com

Annette Oberhaus

Foto Credits:

 

Villiera WinesD.Z. Zondagh – Sybe Bakker
Kunjani Wines Danie Nel Photography Matt Stow Photography
Annette Oberhaus